Nonverbale Kommunikation – alles nur Interpretation?

2022-09-26T23:29:22 / Laura E. Lettner für LcL-Institut Wien

 

Sie verhielten sich effervescenter, heißt es, und würden das, was sie mitteilen, öfter mal durch begleitende Hand- und Armgestik verstärken. Doch auch wir in Mitteleuropa nutzen gerne Körpersprache, um unserem Sprachinhalt Ausdruck zu verleihen oder wenn wir mal krank sind der fehlenden Stimme. Die tatsächliche Macht stiller sprachlicher (Hand-)zeichen geht aber noch weit über das reine Akzentuieren des Gesagten hinaus.

Jedoch, verstehen Sie etwa immer, was Andere deuten? Manchmal durchschauen wir die Gesten und Mimik unseres Gegenübers nicht so ganz. Die sogenannte nonverbale Kommunikation ist nicht nur allen Menschen, sondern auch Tieren eigen und variiert von Kultur zu Kultur mitunter beträchtlich. Man erinnere sich an das Sprichwort, „Die sind ja wie Hund und Katz‘“, also sie vertragen sich gar nicht, weil beide Tierarten z.B. bei Schwanzwedeln jeweils andere kommunikative Signale setzen: der Hund, ein freudiges, positives, die Katze hingegen ein aggressives, negatives. Beim Menschen verhält es sich ähnlich, nur macht er sie sich auch bewusst, der alltäglichen Verständigung dienlich wie dienend, zunutze.

Wir sind immerwährende Kommunikation – die Motivation der Konvention

Eine Anekdote: Ein Bekannter kam aus Südamerika nah Österreich geflogen, benötigte dringend ärztliche Versorgung, fand ins Spital und zeigte der Ärzteschaft ein wiederholtes, schnelles mit dem Zeigefinger Reiben vom oberen Hals weg nach außen unter dem Kinn du zuckte dabei seine Schultern hoch. Der Arzt war empört, er dachte, der Besucher habe ihm signalisiert, es interessiere ihn nicht, was er ihm gerade erklärte. Er interpretierte die Geste als „ist mir wurscht!“ und rief sogleich die Verwandten an, um sich darüber zu beschweren, dass er soeben in seinem Versuch, dem Patienten zu helfen, beleidigt wurde.  Die zweisprachige Familie jedoch klärten ihn schnell darüber auf, dass dieses Zeichen, da, woher er kommt, „ich weiß es nicht“ bedeutet, „ich habe keine Ahnung“, „ich verstehe Sie nicht“. Und der Besucher verstand den Arzt auch wirklich nicht, denn er sprach nur Spanisch, die Ärzte nur Deutsch oder Englisch. Schnell wurde dank Dolmetschens die Situation verständlich.

Hat man Sie denn immer richtig verstanden? Am obigen Bespiel erkennt man gut, welche zentrale Rolle nonverbale Kommunikation in der Sprachanwendung findet, sei sie nun eine zugrundeliegende verlautlichte Sprachhandlung begleitend oder ausschließlich für sich alleinstehend, und welche Wirkung sie auf den jeweiligen Dialogempfänger, dem oder der Zuhörenden bzw. Sehenden, hat. So sind gezeigte Zeichen von Region zu Region mitunter sehr unterschiedlich, unterliegen Normen oder Gewohnheiten. Das ist der Grund, weshalb es z.B. an Flughäfen eine gemeinsame Konvention für schriftliche Schilder braucht. Denn ein oder eine Sprachlernende auf Anfangsniveau A1 beispielsweise, also gerade eben in der zu lernenden Sprache alphabetisiert, wird von der Nutzung nicht verbalisierter, d. h. nicht stimmhaft zu Wort gebrachter sprachlicher Zeichenbildern („Zeigefinder auf Person zeigend für „du“, auf mich selbst zeigend für „ich“, usw.) wie auch zusätzlich dargebotenen Inhaltsbildern (Bild von einem Baum, darunter steht „der Baum“, z.B.) nur profitieren.

Da die Lehrkraft auch unmöglich die Muttersprachen aller in der Lerngruppe beherrscht, zumal das Lernen von Sprache am besten in Immersion, also in Eintauchen in deren Struktur und Kultur geschieht, erweist sich die Nutzung nonverbaler Kommunikation im Sprachunterricht als sehr hilfreich: Wir wollen das Verb „hören“ beibringen, und wir zeigen zu unserem Ohr, für „sprechen“ zeigen wir Handfinger, die sich neben unserem Mund öffnen und schließen, usw. Umso wichtiger also, die Gestik und Mimik unserer Mitmenschen richtig zu interpretieren, sich zu überlegen, wie solche (Hand-)zeichen aussehen sollen, damit sie auch jeder und jede versteht und praktisch nutzen kann. Nonverbale Kommunikation stellt eine Bereicherung unserer lautlichen sprachlichen Artikulation dar, sie dient dem besseren Ausdruck dieser, oder schlicht dem Ausdruck, wenn uns verbale gerade nicht zur Verfügung steht.

Unkonventionell konventionell mit Zeichensprache zur Bildungssprache

Wie möchten Sie denn gern eine Fremdsprache lernen? In der Umwelt von Kindern wimmelt es nur so von Zeichen und graphischen Bildern, die sich ähnlich wie Verkehrsschilder verhalten („Eis“ oder „Feuer“, z.B.) und die die Kleinsten schon sehr früh zu ihren eigenen Gunsten entschlüsseln lernen. Die für sie relevanten bildlichen Botschaften (vor allem zunächst Gebote und Verbote) zu deuten stellt somit ein erster Vorbereitungsschritt zum späteren Entziffern schriftlicher Sprachzeichen dar, eine Vorläuferkompetenz zu Lesen und Schreiben und sich in Kindergarten und Gesellschaft zu verhalten. Diese früh erworbene sprachsoziale Kompetenz von Mimik und Gestik wird nicht nur in der Zweitsprachförderung in Kindergärten (Aktas, 2022) genutzt, um fremden Kindern ihr Außenseiterdasein ein Stück weit zu nehmen, sondern können Sie als Sprachlernende im Erwachsenenalter durchaus unterstützend einsetzen.

Für unsere gehörlosen Mitmenschen ist nonverbale Kommunikation weit mehr als nur Unterstützung. Gebärdensprache basiert auf nicht lautliche konventionalisierten Sprachzeichen und stellt ein ausgeklügeltes, standardisiertes Sprachsystem dar. Standardisiert deswegen, weil eine Vereinheitlichung von Nöten ist, damit wir uns auch global verstehen können. Die Gebärdensprache ist daher eine Internationale Sprache, als solche auch öffentlich anerkannt und vielfältig auch in den Medienwelt als gedolmetschte Sprache eingesetzt. Sie erlaubt, physisch stimmlos normiert und dennoch psychisch klar verständlich Sprachinhalte auszudrücken, an der von Natur aus kommunikativ geprägter Gesellschaft aktiv teilzuhaben und steht der laut artikulierten Sprache in nichts nach.

Aber können wir, wir alle, als Menschen, die wir nun mal sind, überhaupt auch einmal nicht kommunizieren? Haben Sie schon einmal versucht, rein gar nichts mitzuteilen? Ist Ihnen dies gelungen, glauben Sie? Und hier liegt der Hund begraben: Auch, wenn wir nicht sprechen, kommunizieren wir. Alles und alle sind zu jederzeit reine Kommunikation. Wir können nicht nicht kommunizieren. Auch wenn wir uns noch so sehr bemühen und ganz stillhalten, uns nicht bewegen oder schlafen: Auch dann kommunizieren wir noch pausenlos. Irgendetwas teilen wir allein durch unsere Körperhaltung immer mit. Wir können als Individuen gar nicht anders. Wir drehen uns um: Wir sind müde, auf dieser Seite zu liegen. Wir dehnen uns: Unser Muskel oder Knochen sind schlapp. Wir bewegen uns nicht: Wir ruhen uns aus oder können uns nicht bewegen. Wir führen unbewusst unentwegt kommunikative Handlungen aus, die nonverbal das Gegenüber über uns informieren. Wir rollen mit den Augen: Wir sind etwas leid, uns ist langweilig oder vielleicht denken wir auch gerade nach...

Nicht nur Kinder verfügen also über eine breite Palette nonverbaler und gestischer Verständigung und spielerischer Darstellung, wodurch der sozialorientierte Sprachunterricht gleichzeitig auf der verbalen wie auf der nonverbalen Schiene arbeitet. Zunächst verstehen Sie als Lernende die aussagekräftige Gestik und die Bedeutung des Gehörten andeutungsweise, allmählich letzteres auch ohne die nonverbalen Gesten. Dass hierbei das jeweilige Kenntnislevel der Fremdsprachlernenden zu beachten, versteht sich von selbst.

Ohne Worte, aber… nicht wortlos!

Ich bin sicher: Sie nutzen ein Smartphone. Wie „sprechen“ Sie denn da für gewöhnlich mit Ihren Freunden? Unsere mittlerweile altbekannten, neuen sozialen Medien, die aus unserer allgegenwärtigen, modernen Kommunikation nicht mehr wegzudenken sind, setzen massiv auf nonverbale Verständigung.  Daumen hoch oder runter, fröhliche oder weinende Emoticons und Smileys mit brennenden Herzen oder abgemühtem Gesichtsausdruck. Oftmals genügen sie sich auch selbst und die Textnachricht baucht keine Buchstaben bzw. Wörter mehr zu enthalten – Ein Junge sendet auf die Frage, wie seine Prüfung so gelaufen ist, einen schwitzenden Smiley, gefolgt von einem fröhlichen, und wir verstehen sofort: „der Test war mühsam, ist mir aber gelungen, mir geht es gut.“

Speziell gesichtsbetonte Zeichen verstehen wir als Menschen, die anthropologisch auf die Deutung von Gesichtern geprägt sind, normalerweise besonders gut. Eine solche Zeichensprache lässt sich daher sehr gut nutzen, um eine Fremdsprache zu lernen. Nicht nur als Lehrkraft eingesetzt, sondern auch Sie als Lernende können sie z.B.methodologisch nutzen: Wenn das gute oder das schlechte Emoticon neben einem Lernerfolg steht, als Bewertung, oder ganz simpel auch als Guide, von dem, was Sie noch als Lernstoff abhaken wollen. Wir können Verblisten erstellen, neben denen das Bild des jeweiligen nonverbalen Inhalts steht: „essen“, „trinken“, „einkaufen“, usw. Bei Prüfungsbögen verhält es sich nicht anders, wenn das Modul Schreiben mit einem Stift gekennzeichnet ist und daneben „schreiben“ steht, oder die Prüferin mit ihrem Finger, einen Loop bildend, am Frageblatt entlangstreift, und Ihnen zeigt, dass und wo Sie schreiben sollen. Kommunikation an sich ist ohne nonverbaler undenkbar, und Sprachkommunikation schon gar nicht.

Wir können mi den Händen, mit dem Gesicht, mit den Augen, dem Mund, den Wimpern und Augenbrauen, den Fingern, den Schultern usw. kommunizieren. Im Spital fragt der Arzt einen aus dem Koma erwachenden Patienten: „Zwinkern sie ein Mal für nein und zwei Mal für ja.“ Alles verstanden. Die Sporttrainerin hilft bei der Gymnastik und zeigt vor, wie wir das Bein heben sollen. Und mal schnell die Hand über die Stirn gestreift – uff, war das vielleicht anstrengend! Natürlich bleibt ein schmaler Grad für Missverständnisse offen, jedoch lernen wir bereits als Babys, uns nonverbal verständlich zu machen. Das Baby streckt sich nach der Flasche, die weiter weg steht und spricht dabei erste „Wörter“ aus, „Mi- m-m!“, die Mutter versteht sofort, dass es Hunger hat und wonach es sich sehnt: Milch.

Aber wie kommt es nun zu Missverständnissen? Zum einen sind da äußere Faktoren wie die Akustik oder das Stille-Post-Prinzip, zum anderen kodiert der Sender einen anderen Gedanken oder eine andere Emotion als der Empfänger dekodiert. Ein Wort kann mehrere Bedeutungen haben, Menschen entstammen unterschiedlichen Milieus (Herkunft, Alter, Subkultur), in denen bestimmte Wendungen anders verwendet werden. Oder eine der beiden Personen ist zum Beispiel Autist und nutzt nonverbale Kommunikation abweichend vom Gegenüber. Kurz gesagt: Der Sender denkt und fühlt etwas, der Empfänger schlussfolgert es anders. Daher liegt reibungslose und gute Kommunikation in der Interpretation der übermittelten Nachricht. Da jeder und jede von uns aber anders tickt und anders interpretiert, entstehen öfter mal Missverständnisse.

Dennoch bleibt non-verbale Kommunikation zum Erlenen einer Zweitsprache ein probables Mittel, welches, punktuell angepasst eingesetzt, erst die Tür zu verbaler Sprache eröffnen kann. Die LcL-Trainerinnen und Trainer sind bemüht, Ihnen das gesamte Sprachspektrum des Deutschen, Englischen, und wenn Sie möchten auch anderer Sprachen, beizubringen, und nicht zuletzt, zu zeigen. ????

Wir freuen sich darauf, wenn wir uns auch ohne Worte, aber nicht wortlos, verstehen!

Und? Haben wir uns jetzt auch richtig verstanden?

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